Aktuell ist in Österreich erneut die Diskussion um eine Öffnung der Geschäfte an Sonntagen entflammt. Zwar beschränkt sich die Diskussion diesmal auf sogenannte „Tourismuszonen“, jedoch ist sie als solche nicht neu. Nur selten publiziere ich Artikel zu politisch so brisanten Themen. Als jemand, der sich in seinem täglichen Tun vor allem mit dem Thema der Vereinbarkeit von Beruf und Familie beschäftigt, ist es mir aber ein Anliegen, aus dieser Sicht die Sonntagsöffnung zu beleuchten. Denn aus Sicht einer guten Vereinbarkeit gibt es einige Argumente gegen eine Sonntagsöffnung:
1.) Sonntag als Tag für die Familie
Der Sonntag – unabhängig von dessen ursprünglichen, religiösen Bedeutung – ist in unserem Kulturkreis der Ruhetag. Ein Sonntag, an dem alle Geschäfte geschlossen haben, bedeutet für Arbeitnehmer_innen im Handel – und das sind über 628.000 Menschen (!) – einen fixen Tag zu haben, den sie zB mit der Familie verbringen können. Aus familienpolitischer Sicht wäre es fatal, diesen fixen freien Tag, aufzulösen. Dies hätte zur Folge, das beispielsweise die Mutter am Mittwoch, der Vater aber am Sonntag frei hätte. Ein gemeinsamer Tag mit der Familie oder ein gemeinsames Wochenende sind damit für Menschen im Handel passé.
2.) Andere Bereiche müssten mitziehen
Den Sonntag zu öffnen, stellt die Angestellten des Handels vor zusätzliche Herausforderungen, etwa die der Kinderbetreuung. Wenn also Geschäfte in Österreich am Sonntag öffneten, dann müssten auch Kinergärten, Schulen, Horte, Kinderbetreuungseinrichtungen, Freizeiteinrichtungen, etc. an Sonntagen geöffnet haben. Viele davon sind aber nicht darauf ausgelegt.
Außerdem steigt damit auch der Druck auf andere Branchen. So könnte dann auch im Versandhandel eine Diskussion über Verpackung und Versand am Sonntag aufkommen. Ebenso zB in der Logistikbranche, bei Autowerkstätten oder Dienstleistern wie Friseur_innen.
3.) Sonntagsöffnung bringt Zusatzkosten
Die Angestellten des Handels unterliegen vielfach ohnehin vergleichsweise moderaten oder niedrigen Kollektivverträgen. Zwar ist in Diskussion, dass Sonntagsarbeit ähnlich wie Arbeit an Feiertagen höher bezahlt sein müsste, dennoch kommen auf diese Gruppe Zusatzkosten zu, die für Betreuung der Kinder und ähnliches aufgewendet werden müssen.
Zusätzlich steigt durch die Höherbezahlung der Druck, am Sonntag zu arbeiten, um mehr verdienen zu können, was wiederum vielfach die ohnehin schon doppelt belasteten, teilzeitbeschäftigten Frauen, betrifft.
4.) Toursimuszonen legalisieren Wettbewerbsverzerrungen und benachteiligen Kleinunternehmen
Eine Öffnung am Sonntag in sogenannten „Tourismuszonen“, also Gebieten, in denen sich besonders viele Touristen aufhalten, bringt Geschäften in diesen Gegenden Wettbewerbsvorteile. Davon profitieren aber vor allem größere Betriebe. Ein-Personen-Unternehmen oder Kleinunternehmen, die nicht auf große Personalressourcen zurückgreifen können, werden sich schwer tun, den Sonntag auch noch aus eigener Kraft geöffnet zu lassen und haben damit Nachteile gegenüber größeren Mitbewerbern. Ein sinnvolles Modell – nämlich jenes der Öffnung an Sonntagen, Feiertagen oder in der Nacht ausschließlich für Kleinbetriebe – wie es in anderen Ländern umgesetzt ist und diesen ermöglicht, Nischen zu besetzen, ist in Österreich dagegen leider nicht vorgesehen.
5.) Zusatzgeschäft fraglich
Zuletzt bleibt fraglich, ob die Sonntagsöffnung tatsächlich mehr Umsatz bedeutet. In einzelnen Gebieten wird das wohl so sein, jedoch haben auch die verlängerten Öffnungszeiten eher zu einer Verschiebung der Käufe geführt, nicht aber zu einem Zuwachs. Das belastet die Branche und deren Arbeitnehmer_innen zusätzlich. Zumal ja die Personalstände im Einzelhandel stark an den Umsatz gekoppelt sind, ist eine Ausweitung – vor allem zu einer adäquaten Entlohnung – nur schwer vorstellbar. Die Arbeitsbelastung könnte dadurch also für alle steigen.
So verlockend die Sonntagsöffnung also für so manche Besitzer_in eines Einkaufszentrums oder Firmenimperiums anhören mag, für Familien und Mitarbeitende mit Betreuungspflichten bedeutet sie viele Unwegsamkeiten. Ganz zu Schweigen von einer unklaren Annahme durch die Kunden und Kundinnen. Ein Tag für die Familie in einer Zeit, in der ohnehin alles hektischer wird, hat hingegen mehr Bedeutung denn je zuvor.